Wo die Wolle ist, ist auch ein (Zukunfts) Weg
Heutzutage legen viele Menschen Wert darauf, zu wissen, woher ihre Lebensmittel kommen, und viele bauen mittlerweile auch selbst ihr Gemüse an.
Als ich mich letztes Jahr mit meiner landwirtschaftlichen Ausbildung in Frankreich beschäftigt habe, die mit viel Praxis verbunden war, wollte ich diesen Weg auch gehen, aber den Schwerpunk eher auf Textilien als auf Pflanzenbau setzten. Welche Naturfasern gibt es überhaupt? Wie verarbeitet man eigentlich Wolle, Flachs und Hanf ? Kann man Textilien am Bauernhof produzieren? Diese Fragen haben mich auf den Weg der französischen Wollverarbeitung gebracht, die ich auf meinem französischen YouTube-Kanal dokumentiert habe. Ich entdeckte vor allem die Verarbeitungsschritte von Schaf- und Angoraziegenwolle, und mir wurde bewusst, dass Schafwolle eigentlich als Abfallprodukt der Landwirtschaft, laut der Europäischen Kommission, bezeichnet wird. Eine ganz neue Welt öffnete sich vor mir, wo ich erfahren wollte, wie man Schafwolle wertschätzen kann, anstatt sie wegzuschmeißen.
Seit November 2023 bin ich in ganz Österreich unterwegs, um Veranstaltungen, Wissen und Know-How rund um diese Themen weiter zu sammeln und zu dokumentieren. Nachdem ich gesehen hatte, wie es in Frankreich läuft, wollte ich ebenfalls erkunden, welchen Platz diese Rohfaser in Österreich hat. Angefangen habe ich in St Lambrecht, bei einem dreitägigen Wolltreffen. Dort habe ich an einem Zukunftsworkshop teilgenommen, wo es rund um regionale Textilproduktion ging, das von Gabriele Brandhuber (textilportal.net) geleitet wurde. Am Ende des Tages wurde beschlossen, zusammen mit den anwesenden Personen am Tisch, die alle in Österreich in der Woll- und Textilbranche tätig sind, eine regionale Schafwollweste zu entwerfen, die 100% in Österreich verarbeitet werden soll. Seitdem arbeiten wir gemeinsam daran, das Projekt ins Leben zu rufen, und es geht sehr gut voran ! Auf unserer Website und unserem Instagram Account kann man mehr über das AUTWOOL Projekt erfahren.
Dank diesem Projekt habe ich viele interessante Begegnungen machen können, und unter diesen die mit Gabriele Schuller. Gabriele hat im Rahmen der europäischen Kulturhauptstadt Salzkammergut ein Wollsymposium Ende Juni organisiert, wo es darum ging, WollexpertInnen zu vernetzen und zusammen mit Publikum die Verarbeitungsschritte der Wolle verschiedener Schafrassen aus Österreich zu beobachten. Ich habe das Projekt mit Fotos und Videos begleitet, und immer mehr merke ich, dass Wolle mir einen Weg zeigt, dem ich gerne folgen möchte. Was ich darin so spannend finde, ist die Vielseitigkeit der Wolle und die Anwendungsmöglichkeiten, die es für jede Faser gibt. Klar, jedes Schafvlies eignet sich nicht für Kleidung, aber man kann sie auch als Einrichtungsgegenstand oder Dämmaterial verwenden. Früher, vor der Verbreitung von Kunstfasern aus Erdöl, war Schafwolle Teil des Alltags und von unserer gemeinschaftlichen Kultur, und sie bleibt in vielen Orten der Welt eine sehr geschätzte Faser. In Europa ist dieses Wissen leider gefährdet, weil Wolle als Rohfaser natürlich auch viele Herausforderungen mit sich bringt : für den Schafhalter oder Schafzüchter, lohnt es sich heute preislich nicht mehr, die Wolle weiterzuverkaufen, weil ein Kilo Rohwolle nicht einmal die Kosten vom Scheren decken. Wenn man dann denkt, dass man sie noch waschen, kardieren (also kämmen), spinnen, weben oder filzen muss, wird es eine große Aufgabe für eine einzige Person. Aber Schafwolle ist mit Menschen so eng verwickelt, dass es sich auch lohnt, sich wieder einmal damit zu beschäftigen, und— ganz wichtig— zusammen mit anderen Wollbegeisterten Leuten zu arbeiten. Denjenigen, die mehr in das Thema Schafwollverarbeitung eintauchen möchten, kann ich das Buch von Margit Röhm, Katrin Sonnemann und Ulrike Claßen-Büttner “Schafwolle verarbeiten” sehr empfehlen.
Parallel zur Wolle beschäftige ich mich auch dieses Jahr mit dem Flachs (oder Leinen) in einem 4 teiligen Workshop von Christiane Seufferlein. Dort geht es darum, von den Samen bis zum gewebten Leinen zu gehen und alle Schritte zu verfolgen. Diese Fasern bewirken auch bei mir eine große Begeisterung, und ich finde es einfach schön, mich wieder mit alten Textiltechniken vertraut zu machen und selber auch Flachs anbauen und verarbeiten zu können.
Naturfasern sind aus unseren Köpfen raus, weil wir von der Industrie viel schneller Stoff geliefert bekommen, als selber ein Garn zu spinnen und dann zu verstricken. Aber diese Fähigkeiten müssen wir uns auch wieder aneignen, weil es heutzutage immer deutlicher wird, dass die Textilindustrie zu viel Schaden anrichtet. Für mich sind Naturfasern ebenso ein Thema für nachhaltige Landwirtschaft wie biologischer Gemüseanbau, und dafür will ich mich auch einsetzen.
Projekt Wollweste aus Österreich : www.autwool.com